Den Himmel berühren

Moschee, Algier

In der algerischen Hauptstadt Algier soll in den kommenden Jahren die größte Moschee nach Mekka und Medina der Welt mit Platz für mehr als 100.000 Gläubige entstehen. Der Wettbewerbsentwurf des Dresdner Planungsbüros Gerd Priebe Architects & Consultants sieht ein vielschichtiges, als Plateau gestaltetes Ensemble vor, das sich harmonisch in den vorhandenen städtebaulichen und topografischen Kontext integriert. Weithin sichtbare Blickpunkte der zwischen Altstadt und Mittelmeer gelegenen Anlage sind die imposante Glaskuppel der Moschee und das elegant aufsteigende Minarett.

Durch ihre Lage am Südufer des Mittelmeeres und ihre wechselvolle Geschichte, die unter anderem die rund 130 Jahre lange, erst 1962 beendete Besatzung durch Frankreich umfasst, fungiert die algerische Hauptstadt Algier seit Jahrhunderten als wichtiges Scharnier zwischen arabischer und europäischer Kultur. Eine Vielzahl prachtvoller Bauten zeugen von der Bedeutung der „Weißen Stadt am Meer“ – darunter die Große Moschee aus dem 11. Jahrhundert und die 1660 fertiggestellte Moschee „Djamâa el Djedid“, die beide in der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Altstadt (Kasbah) liegen.

Noch höher hinaus als die beiden historischen Vorbilder strebt die geplante Großmoschee, die in den kommenden Jahren zwischen der Altstadt im Süden und der nur wenige hundert Meter weiter angrenzenden Mittelmeerbucht im Norden errichtet werden soll. Der rund zwei Milliarden Euro teure Bau wird bei Fertigstellung das weltweit drittgrößte islamische Gotteshaus sein. Größer sind lediglich die Moscheen in Mekka und Medina, den beiden heiligen Stätten des Islam. Für den international ausgelobten Wettbewerb zum Bau des Projektes waren insgesamt 17 Teilnehmer aus 11 Nationen vorgeschlagen.

Plateau über der Stadt

Um die insgesamt etwa 2 ha große Anlage möglichst gut in den reizvollen städtebaulichen und topografischen Kontext zu integrieren, entwickelten die Planer ein langgestrecktes Plateau, das wie natürlich aus der Stadtlandschaft herauszuwachsen scheint. Gerade so, als sei es mit ihr verwachsen und behutsam herausgemeißelt worden. Wie an einer Perlenschnur aneinander gereiht findet sich hier der größte Teil der verschiedenen Funktionen der Moschee. Den Auftakt in Richtung Südosten bildet dabei das weithin sichtbare Minarett, das in seinem Inneren ein Museum für Frühgeschichte, ein Kulturzentrum sowie Restaurants und Shopping-Bereich beherbergt. Direkt neben dem Minarett schließt die imposante Moschee mit neun Galerie-Ebenen an, die unter ihrer mächtigen Kuppel Platz für insgesamt 65.000 Gläubige bietet.

Weiter in Richtung Nordwesten folgen zunächst die 100 x 100 Meter große Esplanade mit der Mezzaninebene für 12.000 Männer und 8.000 Frauen. Dahinter liegen die Säulenhalle mit dem Welcome-Center und der Paradiesgarten mit der Koranschule für 320 Studenten. Eingefasst werden die genannten Funktionen durch das höher gelegene Plateau mit schöner Aussicht über die Stadt, auf dem rund 45.000 Menschen Platz finden.

Die übrigen Funktionen der Anlage sind außerhalb des Plateaus angesiedelt, darunter das aus vier Einzelquadraten zusammengesetzte Internat mit den beiden Mensen sowie die Betriebsgebäude mit der Verwaltung. Weiter östlich, am Fuße der Moschee, liegen die Häuser des Imam mit ihrer filigran gegliederten zeltartigen Überspannung. Darüber hinaus gibt es hier weitere Repräsentations-, Empfangs- und Arbeitsräume des Imams sowie zwei Wohnungen für besondere Gäste. Unterhalb des Plateaus steht außerdem eine Tiefgarage zur Verfügung, die auf sieben Ebenen insgesamt 10.000 Stellplätze bietet. Die Anbindung des gesamten Komplexes erfolgt über die aus Gründen des Lärmschutzes und zur Optimierung des Verkehrsflusses unter die Erde verlegte Küstenschnellstraße.

Brücke zwischen Tradition und Moderne

Als zeitgemäße Antwort auf die Jahrhunderte alte Bauaufgabe „Moschee“ bewegt sich der Entwurf ganz bewusst im Spannungsfeld der arabisch-maghrebinischen Architektur zwischen Tradition und moderner Interpretation. „Eine ganz entscheidende Rolle spielen dabei das geometrische Motiv des Quadrats sowie die im Islam bedeutende Zahl fünf, die uns als maßgebliche Ordnungs- und Gestaltungszahl bis ins kleinste Detail diente“, wie Architekt Gerd Priebe erklärt. „Das spiegelt sich schon auf den ersten Blick in der Anordnung und der Binnenstruktur der einzelnen Elemente wider, für die wir zumeist das streng geometrische Gestaltungsprinzip des ‚Fünf-Mal-Fünf-Quadrats’ verwendet haben.“

Beeindruckende Beispiele für diese rhythmische Flächengliederung sind die Esplanade und der Paradiesgarten mit der Koranschule. Und auch die Grundfläche der Säulenhalle wurde konsequent in fünf mal fünf Felder unterteilt. Die Kanten der sich somit ergebenden 25 Felder werden jeweils von schmalen Säulen begrenzt, die zusammen ein faszinierendes Raumerlebnis erzeugen. Die Halle strahlt damit eine universelle Klarheit und geometrische Ordnung aus, die den Besucher unmittelbar an die berühmte Große Moschee „La Mezquita“ in Córdoba mit ihren 1000 Säulen aus Jaspis, Onyx, Marmor und Granit erinnert.

Imposanter Raumeindruck

Eine interessante Variation des Fünf-Mal-Fünf-Quadrats zeigt die Moschee mit ihrer hoch aufragenden Kuppel aus smaragdgrünem Glas. Als eine moderne Interpretation des historischen Prinzips „Kreis im Quadrat“ verfolgten die Architekten hier das Konzept eines außen liegenden Kreises, der eine mit Einzelquadraten rhythmisierte Grundfläche umschließt. Im Innenraum der Moschee sieht die Planung von Gerd Priebe organisch geschwungene Galerien vor, die links und rechts über neun Geschosse in die Höhe steigen und sich dabei von Ebene zu Ebene in Richtung der Außenwand verjüngen.

Durch die markante Glaskuppel hindurch fällt diffus Tageslicht in den Raum und taucht diesen in einen zarten Grünton. Eine Besonderheit sind dabei die kunstvoll gestalteten grafischen Muster auf der Kuppeloberfläche. Die kunstvoll gestalteten Strukturen betonen nicht nur das bewegte Licht- und Schattenspiel im Inneren des Gebetsraumes, sondern nehmen gleichzeitig ein Solargewebe auf, mit dessen Hilfe die gesamte Anlage mit Strom versorgt wird. Als weitere ökologische Komponente nutzt der Neubau das Wasser des Mittelmeeres zum Heizen und Kühlen.

Multifunktionales Minarett

Direkt neben der Moschee ragt das von einem Wasserbecken umgebene Minarett mit seinen plastisch gestalteten Oberflächen in den Himmel. Der bis zu 52 Geschosse hohe, mit hochwertigen Materialien gestaltete und mit einem Express-Aufzug ausgestattete Bau integriert verschiedene Funktionen – darunter ein Bistro, einen Shopping-Bereich sowie ein eiförmiges, über mehrere Geschosse sich erstreckendes Medienzentrum mit Vortragsräumen. Im 44. Geschoss ist außerdem die Zentrale der Gebäudetechnik mit zahllosen Steuerungs- und Kontrollsystemen untergebracht. Für eine optimale Sicherheit stehen hier unter anderem auch Sensoren für Erderschütterungen und vorbeugende Brandschutzsysteme zur Verfügung.

Als weitere Funktion innerhalb des Minaretts ist ein Museum für Frühgeschichte mit 18 blütenkelchartig übereinander geschichteten Ebenen vorgesehen. Einen optimalen Schutz der wertvollen Exponate gegen die ultravioletten Strahlen der Sonne bieten dabei so genannte „Lichtwellenleiter“, also spezielle im Beton eingelegte optische Fasern, die es ermöglichen, Licht und sogar Farben durch den Beton zu sehen. Als krönenden Abschluss steht anschließend der Besuch der Besucherplattform auf dem Programm. In 235 Metern Höhe bietet sie einen traumhaften Ausblick über die Stadt, die Mittelmeerbucht und die Gesamtanlage der Moschee.

Nutzung

Moschee, Museum, Ausstellungen, Multifunktionsräume, Restaurant, Shopping, Koranschule, Internat, Verwaltung

Vergabe

Wettbewerb

Leistungen

architectural-technical overall planning, concept of development, infrastructural development, concept of integration, concept of security and logistics, concept of ecology concept of external facilities