Zukunftsweisend

Kindergarten, Bühlau

Die Übernahme ökologischer, sozialer und kultureller Verantwortung für uns und die Zukunft unserer Kinder im globalen Zusammenhang wird von immer mehr Menschen getragen. Was bedeutet dies für die Entwicklung eines in diesem Sinne nachhaltigen Kindergartens?

Mit der Realisierung des Kindergartens in Bühlau besteht die Möglichkeit, diese Gedanken aufzugreifen und einen Kindergarten zu gestalten, der durch seine Form, Konstruktion und Materialität den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Energie greifbar und sichtbar macht. Es entsteht ein Kindergarten, der als Erlebnis- und Erfahrungsraum auch in dieser Richtung auf die Phantasie und Kreativität sowie die Selbst- und Sinnesentfaltung der Kinder einwirkt.

Entwurfskonzept & Gestaltung

Das einzelne Kind ist ein wichtiger Aspekt im Entwurfskonzept. „Entdecken - Erleben - Verstehen“ ist der Grundansatz, bei dem die Integration verschiedener pädagogischer Konzepte möglich ist. Vor diesem Hintergrund bildet das „Ei“ die Grundfigur des Kindergartens, welches durch unterschiedliche Neigungen und Drehungen die spielerische Inspiration des Entwurfs verdeutlicht. Durch das freie Anordnen der „Eier“ ergeben sich sehr interessante Raumproportionen und Sichtbeziehungen im Gebäude und zum Außenraum. Im Erleben dieser Räume entdecken die Kinder immer wieder Neues. Der „Raum der Sinne“ verbindet die „Eier“ zu einem Ganzen und regt durch seine unterschiedlichen Gestaltungen die Kinder an, ihre Sinneswahrnehmung durch hören, sehen, tasten und riechen zu entwickeln. Der „Raum der Sinne“ ist ein Multifunktionsraum für gemeinschaftliche Aktivitäten wie Basteln,Turnen, Theateraufführungen oder einfach zum Feste feiern. Der Raum „Blinde Kuh“ über dem Sanitärbereich kann völlig abgedunkelt werden und ist als Sternwarte oder Planetarium nutzbar. Die Dachverglasung wird zusätzlich mit grafischen oder floralen Mustern bedruckt. Das Wechselspiel von offenen und geschlossenen Dachflächen zeichnet durch das einfallende Sonnenlicht Fabelwesen auf Boden- und Wandflächen.

Funktion & Organisation

Das Entwurfskonzept vereint alle wesentlichen Flächen für den Kindergarten im Erdgeschoss. Im Norden liegen die beiden östlichen und westlichen Zugänge. Direkt am Eingang befinden sich zum einen die zentrale Garderobe und die Abstellfläche für die Kinderwagen und zum anderen das Büro der Kindergartenleitung und der Küchenbereich mit den Lager- und Entsorgungsräumen. Im Obergeschoss dieser Figur sind der Besprechungs- und Aufenthaltsraum sowie der Sanitär- und Umkleidebereich für die Kindergärtner/innen und im Untergeschoss befinden sich die Technikräume und der Hausmeisterbereich.

Die Gruppenräume für die Krippenkinder befinden sich in der Nähe des Eingangsbereiches. An diese Räume schließt der allgemeine Sanitär- und Duschbereich mit dem darüber liegenden Dunkelraum „Blinde Kuh“ an. Ihm gegenüber liegt der Mehrzweckraum. Dann folgen die sechs Gruppen- bzw. Themenräume. Alle Gruppenräume verfügen über mindestens eine Toilette und einen eingebauten Sitz und Spielsockel, der auch als Stauraum dient. Im „Raum der Sinne“ sind an den Außenwänden der Gruppenräume Sitzmulden modelliert. Im Garten befindet sich der Kullerhügel, unter dem der Lagerraum für Spielgeräte im Außenraum ist.

Konstruktion & Material

Nachhaltig gestaltete Konstruktionen und Details sowie ökologische Materialien und Produkte sind die Basis zur Umsetzung des Baukörpers. Das Konstruktionskonzept sieht die bestmögliche Verwendung der Materialressourcen vor. Leistungsfähige und funktionsintegrierte duale Konstruktionsprinzipien sind dabei wichtige Indikatoren der Nachhaltigkeit. gpac sieht die Konstruktion als doppelschalige Schalenbauweise in Textilbeton. Das bedeutet eine Optimierung und Reduktion des Gewichts und eine deutliche Ressourcenoptimierung im Vergleich zu herkömmlichen Konstruktionen. Hier zeigt sich die enorme Leistungsfähigkeit zweifach gekrümmter Konstruktionen, vergleichbar der eines Eies mit seinem idealen Verhältnis zwischen Stabilität und Materialstärke. Neben dem rein formalen und funktionalen Stärken zeigt sich auch in der Ästhetik der Reiz der „Eier“. Mit der Gleichheit der Teile, die aus einer Form abgeleitet sind, ist eine serielle Fertigung auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten abbildbar. Damit entfallen alle konventionellen Dachkonstruktionen, Dichtungen und Entwässerungen.

Das Oberflächenwasser kann bis zu 90% bodennah in Wasserrinnen aufgefangen und biologisch zur Brauchwassernutzung aufbereitet werden. Der „Raum der Sinne“ zwischen den „Eiern“ wird zur solaren Wärmegewinnung mit einer rahmenlosen, dreifachverglasten Ganzglaskonstruktion geschlossen. Das Glasdach wird zur Entwässerung der Oberfläche leicht geneigt und mit Zugseilen, die innerhalb der Glasebene liegen, gehalten. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist es möglich, dass etwa 35% der Dachverglasung mit semitransparenten Photovoltaikelementen ausgeführt werden können. Die massive Bodenplatte aus Liaporbeton gründet als Flachgründung auf einem Lavaschottergemisch und dient als Wärmespeicher.

Energiekonzept

Aufgrund der Betriebszeiten und der Nutzung des Gebäudes sieht das Energiekonzept ein flexibles Luftheiz- und Kühlsystem mit Wärmerückgewinnung vor. An jeweils vier Kreuzungskoordinaten der Räume wird die Raumluft in den Zwischenraum der Textilbetonschalen zur Verteilung eingeblasen. Über festgelegte Wandöffnungen strömt die konditionierte Luft durch den offenporigen Oberflächenputz großflächig von oben in den Raum. Die Abluft wird am Boden abgeführt und als Wärmerückgewinnung genutzt. Die offenporige Putzfläche übernimmt dabei zusätzliche hygroskopische und raumakustische Funktionen. Dabei ist zu erwarten, dass sich die kantenlose Raumgeometrie als äußert wirkungsvoll darstellt. Die zentrale Luftaufbereitung mischt die Abluft aus der Wärmerückgewinnung mit der gefilterten Frischluft, die je nach Erfordernis der Raumluftqualität zugegeben wird. Die konditionierte Luft strömt über das Luftverteilungsnetz, welches unterhalb des Gebäudes in etwa vier Meter Tiefe liegt, in die Räume.

Durch die hohe Flexibilität und Wirksamkeit der Anlage sind geringste Anpassungszeiten an äußere Temperaturveränderungen möglich. Der „Raum der Sinne“ dient als passive Lufterwärmungsquelle, die der zentralen Luftaufbereitung als Wärmerückgewinnung zugeführt wird. Die Gruppenräume lassen sich durch dezentrale Steuerungsgeräte individuell regeln. Bei Bedarf können sowohl die Luftfeuchtigkeit beeinflusst oder auch Duftaromen zugeführt werden. Die Anlage arbeitet nahezu wartungsfrei, sehr effektiv und kann ohne CO²-Belastung betrieben werden. Außerhalb der Betriebszeiten ist es möglich, die Anlage im Umluftbetrieb zu fahren.

Die elektrische Energie für Pumpen, Filter und das Steuern der Anlage, der Beleuchtung und der Küchengeräte kann z.B. über eine integrierte semitransparente Photovoltaikanlage der Dachverglasung oder über eine Brennstoffzelle erfolgen. Mit der Realisierung des Kindergartens möchte gpac seinen Beitrag zur Vermittlung einer sensitiven und ganzheitlichen Wahrnehmung und Gestaltung unserer Umwelt leisten.